Donnerstag, 30. September 2010

Photokina-Nachlese

Viele Enttäuschungen, wenig Begeisterung

Wo sonst kann man sich als sogenannter ambitionierter Amateur mal so fühlen als wäre man ganz normal? Als bestünde das Leben nur aus Blendenwerten, Brennweiten und Rauscharmut bei aberwitzigen Lichtempfindlichkeiten? Richtig: Man geht auf die Photokina und findet nicht nur Gleichgesinnte sondern kann sogar einige Menschen finden, die Fotografie noch durchgeknallter betreiben als man selbst.

Kurz: Photokina ist ein Pflichttermin.

Außerdem hatte ich darauf gehofft, die Machbarkeit einer Ausrüstungsumschichtung zu erörtern. Die spiegellosen Systemkameras (auch als EVIL bekannt) sind groß in der Presse und jeder Hersteller muss einfach sowas im Programm haben. Falls nicht, kommt gleich die böse Schlagzeile der allwissenden Presse: "Canon und Nikon haben den Trend verschlafen" - weil sie keine Systemkamera zeigen. Mit dieser Schlagzeile habe ich aus zwei Gründen ein Problem:
Erstens sollte man vor allem die Firma Pentax nennen: Pentax baut seit Jahren äußerst kompakte Kameras und geniale Pancake-Objektive. Die Idee einer spiegellosen Systemkamera geistert schon seit gefühlten wenn nicht gar tatsächlichen Jahrzehnten durch die Pentax-Welt - aber wohl auch durch den kurzfristigen Gewinndruck des neuen Eigentümers Hoya und dem DNF-Projekt 645D war wohl kein Geld für die Entwicklung einer Pentax-EVIL vorhanden. Sehr schade.
Zweitens waren die gezeigten Systemkameras für meinen Geschmack von so schlechter Qualität, dass es mir lieber ist, die Hersteller sparen sich das Geld für die erfolglose Vermarktung fragwürdiger Produkte und steckes es in die Entwicklung. Ich denke, dass in den Häusern Canon und Nikon durchaus Überlegungen zum Thema EVIL angestellt werden und das nicht erst seit gestern.

Mein Fazit der Messe

Meine Erlebnisse der Photokina, alphabetisch mitgeschrieben:
  • Canon: War anwesend
  • Fuji: Da hat wohl jemand was zu verbergen? Wie von den anderen Messeständen gewohnt, habe ich am Fuji-Stand eine SD-Karte in eine der ausliegenden W3 geschoben um ein paar Fotos vom Testaufbau zu knipsen - der so absurd hell erleuchtet war und so bonbonfarben gestaltet, dass sogar der AF der W3 hier Land gesehen hat. Nach wenigen Fotos und Filmen kam eine der Warenbewacherinnen und motzte mich pampig an, ob ich denn eine eigene Speicherkarte in die Kamera geschoben habe auf meine Antwort "Na selbstverständlich!" antwortete sie mit einer Flut von Verboten. Egal, für meine (leider durchweg negativen) Beobachtungen hat es gereicht. Die vielbeworbene X100 konnte ich auch mal ankucken - naja, unter Hybridsucher habe ich mir ehrlich gesagt mehr vorgestellt als einblendbare Aufnahmeparameter. Die Gitterlinien würden bei Wechseloptiken durchaus Sinn machen - aber die X100 hat ein fest eingebautes Objektiv. Kopfschüttelnd ging es weiter.
  • Leica: Rangefinder-Kameras haben schon was. Sowohl die M9 (u.a. mit Noctilux - leckerschmecker!) als auch die S2 (nur nicht an den Preis denken...) waren mal wieder ein Erlebnis.
  • Nikon: Die allseits bekannte Zweiteilung: Einfache (dank Firmware-Funktionsbeschränkungen) und federleichte (dank Plastikbauweise) Einsteigerkameras, geniale aber tonnenschwere und absurd teure Oberklassekameras. Eine kleine feine stabile Oberklassekamera sucht man weiterhin vergeblich. Das neue AF-S 85 fand ich im Vergleich zu meinem AF-D 85 relativ unspektakulär. Im Kompaktkamera-Bereich von Nikon war weniger los als gegenüber bei Pentax - was ein Wunder.
  • Olympus: Meine EVIL-Hoffnung Nr. 1. Also die PEN ausprobiert... ist die immer so laut? Ja, geht nicht anders. Schade aber auch. Pancakes? Mangelware und von fragwürdiger haptischer Qualität. Der vielgelobte Autofocus... Ich bin dann ganz schnell wieder gegangen.
  • Panasonic: Meine EVIL-Hoffnung Nr. 2. Praktischerweise konnte man sich gegen Vorlage des Personalausweis eine Stunde lang eine Kamera ausleihen. Ich habe meine schon nach 10min wieder zurückgegeben weil ich befürchtet habe, die Kamera könnte sich bei der nächsten lautstarken Auslösung in ein Häufchen Plastiksplitter dematerialisieren. Schnell weiter.
  • Pentax: War da was? Ach ja, die K-5 und die K-r. Hurra. Trotz intensiven Vergleichen der K-5 mit meiner K-7 mit ansonsten identischer Hardware konnte ich keine Verbesserungen erkennen. Laut Datenblatt gibt es jedoch einige Verbesserungen. Bei der Lektüre dieser Änderungen kommt bei mir spontan der Gedanke an ein in Hardware ausgeliefertes Firmware-Update auf, aber das muss jeder selbst beurteilen. Die K-r ist ne lustige Kamera aber 1. macht sie immer noch den gleichen Lärm wie die K100D und 2. ist sie nicht mal optisch ein Hingucker weil es sie wohl nur in den sattsam bekannten Farben gibt und nicht in der japanischen Vielfalt.
  • Samsung: Meine EVIL-Hoffnung Nr. 3. Zunächst war es nicht möglich, die Samsung ohne das Kit-Zoom überhaupt zu testen, kaufen kann man sie ohnehin nur mit dem Zoom das kein Mensch braucht. Irgendwann gab es dann doch wenigstens eines der zwei Pancakes und die Ansage, dass "Samsung-Objektive" (sprich: Pentax) mit einem Adapter genutzt werdne können. Da bleiben für mich zwei Fragen: Warum bringt Pentax selbst das nicht hin und warum muss die Kamera komplett aus Plastik sein?
  • Sony: Meine EVIL-Hoffnung Nr. 4 - und der Hersteller, der mich am meisten positiv überrascht hat! Weitab vom lautstarken Trubel der A55 (ein Blick durch den Sucher... schnell weg hier!) gab es an einem kundenverlassenen Stand die NEX 5 zu testen. Hossa, das sieht ja richtig gut aus! Wenn man jetzt noch einen Silent-Modus mit rein elektronischem Verschluss implementiert und noch 2-3 solide konstruierte Pancakes baut, könnte das glatt die EVIL als Ersatz für die DSLR werden. Könnte - also mal abwarten, ob sich am Kamera- und Objektivprogramm noch was tut und ob die als Komplementärprodukt verkaufte Videokamera deutlich verbessert wird. Auf der nächsten Photokina wird Sony garantiert meine erste Anlaufstelle sein!
  • Tamron: Während das putzig aufgebaute Makro-Land eher unpraktisch war (nur Canon-Einsteigermodelle... super Idee) war der verkehrsungünstig direkt am Gang gelegene Objektiv-Teststand durchaus hilfreich: Während der objektivinterne Stabilisator des 17-50 nicht wirklich mit dem kamerainternen Stabilisator der Pentax mithalten konnte, war das neue stabilisierte 70-300 wirklich äußerst beeindruckend und auch bei Belichtungszeiten von 1/20-1/10sec (wohlgemerkt, an 300mm!) kaum aus der Ruhe zu bringen. Respekt!
  • Zeiss: Schiiiiiiiiick, immer wieder. Alleine das STF 135 an einer A900 ist den Besuch wert.
Mein Fazit: Die Party war gut aber der Kater heftig. Meine Versuche eine brauchbare EVIL zu finden waren komplett verlorene Zeit, lediglich die Sony war wirklich interessant und lässt für die nächste oder übernächste Generation Hoffnung zu. Dann sind hoffentlich auch Canon und Nikon dabei. Auch die anderen Hersteller fand ich reichlich enttäuschend und habe die Messe so verlassen wie noch nie: Absolut zufrieden mit meiner aktuellen Ausrüstung. Hat auch was.