Das Fuji V1 Display als rot-grün-Anaglyphenbild
Die Enttäuschung könnte größer nicht sein: Auch hier hatte "schick" den Vorrang vor "funktionell". Die Bedienung ist extrem schwierig, da man bei den Sensortasten keine Ahnung hat, ob man sie nicht richtig gedrückt (bzw. berührt) hat oder ob die unergründlichen Tiefen der reichlich undurchschaubaren Menüführung diesen Tastendruck schlicht ignoriert haben.
Genug der (fragwürdigen) Usability - wichtig ist primär die Funktion. Das Problem ist: Auch damit hatte ich eklatanteste Probleme. So sehr ich es auch mit eigenen und den mitgelieferten Fotos in verschiedenen Läden mit unterschiedlicher Beleuchtung versucht habe, ich bekomme damit partout kein 3D-Bild zusammen. Die stark spiegelnde Oberfläche des Displays stört dabei extrem, da man permanent auf weit entfernte Lichtquellen fokussiert. Ich hatte permanent den Eindruck eines Wackelbildes aber nie, wirklich nie den 3D-Kick. Auf dem Mini-Display der Kamera hatte ich ein deutlich besseres 3D-Feeling als mit dem großen Display - was angesichts des (prinzipbedingt winzigen) Kamera-Displays nicht gerade schmeichelhaft für das große dedizierte 3D-Display ist.
Andere Displays? Schwierig! In englischsprachigen Foren werden die größten Lobeshymnen auf die Rückprojektionsfernseher von Mitsubishi gesungen - leider sind die "klobigen" Rückprojektionsfernseher nicht nach dem Geschmack der "stylishen" Europäer für die ein Display nur dann gut ist, wenn es auch dünn ist. Die Mitsubishis werden also nur mit NTSC-Norm produziert und nicht nach Europa importiert.
Die wenigen prinzipiell 3D-geeigneten (weil 120Hz-Eingangssignal-tauglichen) TFTs wie der momentan auf der CeBit präsentierte und angeblich im Versand auch bereits erhältliche Acer GD245HQ sind nirgendwo für einen real-life-test vorrätig, "die gute alte Elsa Revelator" 3D-Brille ist kaum noch im Einsatz und wurde meist mitsamt der hervorragend 3D-fähigen CRT-Monitore entsorgt.
Tatsächlich eine Alternative sind 3D-fähige Beamer wie der Acer H5360 - allerdings erfordern diese natürlich eine komplette Umkonstruktion des Wohnzimmers inklusive Aufstellung einer Leinwand.
Allen "großen" Lösungen gemein ist, dass sie mit einer Shutterbrille wie der nVidia 3D Brille betrieben werden müssen - wobei jeder weitere Zuschauer seine eigene Zusatzbrille benötigt.
Die aktuell wohl interessanteste und auch preislich akzeptable Lösung ist ein dediziertes 3D-Notebook mit mitgelieferter Polarisationsbrille wie beispielsweise das Acer Aspire 5738DG. Dieses ist in einer deutlich teureren Variante auch mit etwas schnellerer CPU zu haben.
So mau die Situation momentan aussieht, so bald sind viele Produkte zu erwarten: Für den Heimkinobereich hat jeder halbwegs ernstzunehmende Hersteller entsprechende Produkte angekündigt ( Fernseher von Samsung, Receiver von Sony, Fernseher von Panasonic) sowie die entsprechende HDMI-Spezifikation finalisiert.
Auf der aktuellen CeBIT werden 3D-Displays und andere 3D-Produkte am laufenden Band vorgestellt: So wurde jüngst ein All-in-one-3D-PC vorgestellt , außerdem wurden 3D-Displays von Asus und 3D-Displays von LG und Acer präsentiert. Auch die allseits bekannte Zeiss Cinemizer Brille wird hier wieder durch den aktuellen 3D-Hype hochgespült - ob sich an den teilweise auch sehr verbesserungswürdigen Produkten allerdings inhaltlich etwas geändert hat, ist mir leider nicht bekannt. Wünschenswert wäre es, denn schließlich bietet eine solche Brille die optimale Trennung für linkes und rechtes Auge.
Um es zusammenzufassen: So vielversprechend die 3D-Zukunft aussieht, die Wiedergabe der 3D-Fotos wurde für mich angesichts der aktuell noch sehr mageren Endgeräte zum totalen Fiasko. Die einzige sinnvolle Option der Darstellung ist für mich der normale Monitor mit dem genialen Freeware-Tool StereoPhotoMaker. Spaß macht Anaglyphendarstellung oder Kreuzblick mit dem Badezimmerspiegel wirklich nicht.
Ein Graustufen-Anaglyphenbild aus dem Kölner Dom - bitte großklicken und mit rot-grün-Anaglyphenbrille betrachten!
Kameratasche
Zum Zeitpunkt des Kaufs der Kamera war die Fuji Tasche leider nicht kurzfristig lieferbar. Die empfohlene Hama-Tasche hatte absolut nicht die Qualität und Funktionalität wie ich sie von DSLR-Taschen gewöhnt bin. Die Lowepro Apex 60 ist zu groß, in die Apex 30 passt die Kamera nur mit reichlich Überredungskunst hinein - alles nicht optimal. Die einzige wirklich passende Tasche ist wohl wirklich die Spezialtasche von Fuji. In diese passt aber ausschließlich die Kamera, sonst nichts.
Software
Die Software ist alles andere als ein Ruhmesblatt für Fuji und selbst als kostenlose Beigabe eigentlich eine Unverschämtheit: Eine ganz normale mit der Kamera mitgelieferte Bildbetrachtungssoftware wie man sie gewöhnt ist (langsam, umständlich, hauptsächlich als Werbefläche für den Hersteller verwendet dafür sparsam an Funktionen, etc.) auf die nachträglich notdürftig das Thema 3D angeflanscht wurde. Multicore-Unterstützung sucht man genauso vergebens wie jeglichen 3D-Komfort. Das positive Gegenteil dazu ist das geniale Freeware-Tool StereoPhotoMaker das um Welten mehr Features bietet, komfortabel und schnell zu bedienen ist - genau so sollte ein 3D Viewer aussehen. Selbst das wieder mal proprietäre Fuji-Format MPO wird besser unterstützt als von Fuji selbst, auch wenn Fuji verzweifelte Versuche unternimmt solche Programme zu blockieren indem beispielsweise der (ohnehin nicht gerade berauschende) 3D-Viewer V1 Dateien aus solchen Freeware-Tools boykottiert.
Bis jetzt dachte ich, dass ich die Kamera als Andenken an die erste echte 3D-Kamera behalte - dann kam alles ganz anders...
Die niederschmetterndste Erfahrung, die mich schließlich zur Rückgabe der Kamera veranlasst hat, war jedoch nicht die sehr zweifelhafte Bildqualität oder die Videoqualität auf dem Stand des Jahres 2000 - nein, es war der Autofokus der komplett hilflos ist, wenn man sich nicht in prächtigst ausgeleuchteten Studios befindet. Kein Witz, meine erste Digitalkamera aus dem Jahr 2000 hat einen deutlich schnellen und vor allem funktionierenden Autofokus! Ich hatte mit der Fuji W1 regelmäßig nicht nur das Problem, schnell zu fokussieren sondern überhaupt richtig zu fokussieren! Dass man mit der W1 nicht manuell fokussieren kann, schlägt den AF-Problemen dann die Krone ins Gesicht. Die Alltagstauglichkeit der Kamera ist für mich damit nicht höher als die der seit Jahren existierenden Eigenbau-Konstruktionen aus zwei Kameras.
Empfehlenswerte Eindrücke anderer Tester hier und hier sowie ein sehr negatives Review hier, die Antwort von Fuji darauf hier. Ich möchte darauf hinweise, dass ich die Kamera nicht von dem Hersteller oder einem Händler zum Test gestellt bekommen habe. Ich habe, da ich schon seit der Photokina Feuer und Flamme für diese Kamera war, ein ganz normales Exemplar im Versandhandel gekauft und hatte auch nicht vor, es lediglich zu testen, sondern ich wollte diese Kamera behalten und damit meine Kompaktkamera Fuji f31fd ersetzen. Zurückgegeben habe ich die Kamera also ungeplant und nach sehr harter Überlegung.
Mein Fazit der Kamera: Endlich gibt es sie, die erste einsatzfähige Consumer-3D-Kamera. Soweit, so fantastisch. Das Problem ist, dass es nicht die erwartete Kombination von zwei halbwegs aktuellen Digitalkameras sondern von zwei Digitalkameras aus dem Jahre 2000 ist - aber dem Bildrauschen absurd hochgezüchteter winziger 10MPix Sensoren aus dem Höhepunkt des Megapixelwahns. Deren Auflösung liefert keineswegs echte Details sondern vor allem Bildrauschen und Aquarellbilder die aus den verzweifelten Versuche der Rauschreduktion entstanden sind.
Empfehlungen an Fuji für das Nachfolgemodell:
- Gestalten Sie bitte das Gehäuse aus stabilem und griffigem Material, vorzugsweise Metall mit belederten Griffbereichen. Grenzen Sie die Objektive so von der restlichen Oberfläche ab, dass man nicht öfter als nötig auf die Objektive tappt.
- Ersetzen Sie die komplette Optikeinheit durch eine hochwertige Konstruktion mit vergrößertem Weitwinkelbereich (gerne auch unter Verlust des Telebereichs), denken Sie auch mal über zwei Festbrennweiten nach. Bitte ersetzen Sie unbedingt die Sensoren durch rauscharme Exemplare im Bereich der 6MPix und bringen sie die EXR-Technik auch hier zum Einsatz. Kombinieren Sie bitte geeignete Komponenten - ein Sensor mit 10MPix Auflösung hinter einer Optik die nur 3MPix durchlässt, zeugt nicht von stimmiger Konstruktion.
- 3D-Aufnahmen mit dem eingebauten Blitz sind kein Spaß. Bitte erhöhen Sie die Lichtstärke der Optik deutlich, gerne auch unter Verzicht auf großen Zoombereich. Bitte ermöglichen Sie den Anschluss von externen Blitzgeräten um eine indirekte Blitzaufhellung zu ermöglichen.
- Bringen Sie die Bildqualität auf das Niveau normaler Kompaktkameras aus eigenem Hause. Bilder müssen nicht nur dreidimensional sein, sie müssen auch gut sein. Rauscharmut und Dynamik einer F200EXR sind auch mit zwei nebeneinander verbauten Objektiven problemlos möglich.
- Bringen Sie die Videoqualität auf das Niveau normaler Kompaktkameras aus eigenem Hause. Im Jahre 2010 eine Kamera mit lediglich VGA-Video anzubieten grenzt an eine Frechheit.
- Ermöglichen Sie Autofokus auch in geschlossenen Räumen. Verbauen Sie ein AF-Hilfslicht, optimalerweise ein 3D-Laserpattern wie in der Sony F828, verbauen Sie Phasenverschiebungs-AF-Sensoren - aber bitte tun Sie irgendwas, damit die wirklich indiskutable AF-Leistung endlich besser wird!
- Bringen Sie die Auslöseverzögerung auf einen halbwegs akzeptablen Wert! Ich muss mal wieder meine Kompaktknipse aus dem letzten Jahrtausend zitieren, mit dieser waren schnellere Schnappschüsse möglich als mit der W1.
- Bitte akzeptieren Sie, dass die Kunden für den doppelten Preis der aktuell besten Kompaktkameras auch die Qualität dieser Kameras erwarten. Fuji hat nun noch einen kleinen Vorsprung vor den anderen Herstellern, es gilt nun, diesen Vorsprung zu nutzen und vor allem Kundenfeedback so schnell wie möglich in die nächste Generation einfließen zu lassen!
- Bitte bringen Sie die Produktkonzeption mit der Kundenzielgruppe in Einklang! Wen möchten Sie mit der W1 erreichen? Leute die jetzt schon 3D fotografieren oder 3D-Neulinge? Die existierenden 3D-Freaks sind (überspitzt gesagt) Kommandozeilenfreaks die jede Kamera sofort in den Modus "M" stellen und sämtliche Parameter manuell steuern. Denen können Sie noch so lange von Motivprogrammen vorschwärmen - so lange die manuellen Einstellmöglichkeiten so radikal beschnitten sind wie bei der W1, werden Sie diese Gruppe nicht erreichen. Oder sind es die 3D-Neulinge, überspitzt gesagt die Grüner-Modus-DAUs? Die möchten eine Kamera die genauso problemlos funktioniert wie die existierenden Kompaktkameras. So lange aber der Autofokus den Namen nicht verdient, die Bedienbarkeit sehr fragwürdig ist, die Bild- und Videoqualität auf dem Stand des Jahres 2000 ist, die Kamera ständig das Verhalten einer unberechenbaren Diva an den Tag legt, die mitgelieferte Software absolut indiskutabel ist und es keine Komplementärprodukte wie einen funktionierenden 3D-Viewer gibt, werden Sie auch diese Gruppe nicht ereichen.
Fuji hatte den großen Mut, bereits vor Jahren als Pionier massiv in diese Technik zu investieren und wurde nun mit der Vorreiterrolle belohnt. Quasi sämtliche Kamerahersteller haben auch schon 3D-Kameras angekündigt, müssen aber erst einen mächtigen Rückstand aufholen. Wenn Fuji aus den Fehlern der W1 lernt, können Sie ihren Vorsprung durchaus eine Zeitlang verteidigen.
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